Verfasst von: kosta232 | September 22, 2010

Argentinien

Servus,
sodele, dann wirds also wirklich langsam Zeit fuer den letzten Actionbericht des dreckigsten Gespanns suedlich des Aequators.
Nach Bolivien gings wieder ins heftig idealisierte Argentinien. Schoene Fotos, wage Erinnerungen und schoenere Aussichten, das Wetter betreffend, haben die Erwartungen ins Unermessliche steigen lassen. Lest selbst ob Argentinien „up to it“ war.

In einer ersten Etappe gings nach Iruya, nach dem Handbuch ein tolles abgelegenes Dorf. Naja fuer mich wars etwas zu hinterm Mond und wie kann ein einziges im Dorf vorhandenes Telefon die heutigen Kommunikationsansprueche eines Mitte-20-Jaehrigen zufriedenstellen? Naja wenigstens bin ich noch zu meinem Steak gekommen.

Ich muss schon zugeben, dass es schoen und wirklich abseits gelegen war, allerdings ist das wohl eher fuer Wanderer und nicht fuer allein Reisende interessant. Sonderbar war hier die Abneigung gegen meine Kamera, keiner wollte hier fotographiert werden. Eine Frau hat mich sogar vom Strassenrand weggeschickt, wo ich einfach nur von ein paar Felsen ein Foto machen wollte. Keine Ahnung was das war…

Am naechsten Tag gings also gleich weiter nach Salta. Da niedrig (um die 1000m) und schoen warm, war dort ein Tag Pause eingeplant. Allerdings hat mich neben all der Freude wieder in Argentinien zu sein mich dort etwas ganz anderes erwischt. Im Grunde wurde mir durch die Ankunft dort erst richtig bewusst, dass ich auf das unvermeindbare Ende meiner Reise zufahre und dass Arg das letzte Land sein wird, dass ich, ausser Chile als Abflugort, bereisen werde.
Naja hilft ja alles nix, also in Salta etwas gechillt und mir diesmal etwas die Stadt angesehen. Die ist schon sehr modern und weniger ansprechend. Wenn auch nicht unschoen musste ich mich erst wieder etwas an Fussgaengerzonen und teure „Gesehen-werden“-Strassencafes gewoehnen.

Hier ist die Ruta 9 (glaub ich) noerdlich Salta zu sehen. Fuer ein beladenes Motorrad ist die Spurbreite genau richtig. Spass hats gemacht und schoene Umgebung isses auch.

Mein naechstes Ziel war Cafayate, eine touristische Kleinstadt, in Reichweite fuer Touristen aus Salta und mit nennenswerter Weinproduktion. Allerdings hat mir die Umgebung wenig angesprochen, so dass ich weiter ins viel viel schoenere Santa Maria gefahren bin, das mich schon auf der Hinfahrt vor 5 Monaten beeindruckt hat. Wieder auf den gleichen Campingplatz, was die Trauer ueber die Abfahrt nicht gerade verbessert hat.
Der Weg von Salta fuehrte durch die Quebrada de Cafayate die wirklich sehr schoen ist und mich, wie schon andere Red-Rock-Deserts, durch ihre Schoenheit beeindruckt hat.

Auf dem Campingplatz hab ich einen Briten/Canadier Ian und Daniel aus Peru auf Fahrraedern getroffen. Ganz nette Typen, haben zusammen einen Abend verbracht, aber auch schon „gezeichnet“ von zu viel Zeit allein (auf dem Fahrrad?).
Weil mir Santa Maria so gut gefaellt habe ich dort einen weiteren Tag verbracht und mir wieder irgendwelche Ruinen angesehen. Der Hoehepunkt war aber das verdiente Bier am Abend auf der Plaza. Auf jeden Fall genau das wonach man auf der Reise sucht. Einfach ein tolles Gefuehl in der Sonne in Argentinien zu sitzen und ein kaltes Bier vor sich zu haben, waehrend man dem sozialen Treiben auf dem Hauptversammlungsplatz zusehen kann.
In Santa Maria eine Werkstatt aufmachen oder Stoepseln den Dreisatz beibringen waere echt mein Notfallplan fuer den 3. Weltkrieg oder fuer den Fall das die GEZ mir mit dem IPod auf die Schliche kommt (der ist zwar viel zu alt um Internetfaehig zu sein, aber seit wann gehen die Verbrecher schon nach Logik?).

Immer weiter Richtung Sueden gings dann nach La Rioja. Wieder einmal war ich vor die Wahl gestellt zwischen ruhig, bekannt und asphaltiert oder unbekannt, klein und dreckig. Ich hab mich diesmal endlich mal wieder fuer das Abenteuer entschieden und wurde mit einer phantastischen abgelegenen Dirtroad entschaedigt. Und wie wichtig ist es sich ab und zu mal wieder selbst von seinen Faehigkeiten (und von denen des Moppeds) zu ueberzeugen, bevor man ein aengstlicher, uebervorsichtiger, alter Sack wird.

Die Belohnung:

La Rioja ist eine der waermsten Staedte in Westargentinien und damit genau richtig fuer mich. An dem Tag hat meine rechte Gabeldichtung voellig den Geist aufgegeben und so hab ich recht spontan (die neuen Dichtungen hatte ich unter meinen Ersatzteilen) in einer Werkstatt gleich beide Rohre ausgebaut und alles neu gemacht. Beim Ausbau merkte ich, dass die linke Dichtung auch schon am Aufgeben war. Alles auseinandergenommen, gereinigt und mit neuer Dichtung und Oel wieder eingebaut. Auf jedem Fall das sauberste Teil am Motorrad! Schoen, dass ich das jetzt auch einmal gemacht habe, bei einer solchen Reise kann man echt was lernen (ob man will oder nicht).

La Rioja ist leider ziemlich teuer, daher bin ich wieder auf einen „Campingplatz“. Diesmal war ein Naherholungspark mit Trimm-dich-Pfad, See mit Tretbooten und Grillareal.
Am naechsten Tag wollte ich mich auf die Spuren einer Dakar-Etappe von 2009 zwischen La Rioja und Cordoba machen, als mein Motorrad wieder Temperaturprobleme hatte (selbst bei nur 80km/h).
Das einzige war ich unterwegs tun konnte, war vom Motor die dickste Oel-Sand Schicht (nach dem Oelwechsel in Quito hat sie auf dem Rahmenablass ziemlich getropft und alles ueber den Motor verteilt) mit ner Buerste entfernen, aber es hat schon gereicht um die Temperatur wieder runterzubringen.
Ich hab ja kein Problem alle 5000 km das Oel zu wechseln, auch nicht ab und zu mal sowas wie die Gabeln neu zu machen aber wenn das Muli-Prinzesschen jetzt auch noch regelmaessig gewaschen werden will, dann hat es sich aber geschnitten. Ich muss dem echt mal wieder klarmachen, dass es ein Offroadbike ist. Das kommt davon wenn man aufhoert sich auf Sand und Schlamm zu maulen.

Ansonsten fuehle ich mich absolut perfekt mit dem Reisen in Argentinien. Es erfuellt im Grunde alle Erwartungen und gegrillt wird auch regelmaessig. Es ist schoen vor dem kalten Winter noch einmal etwas Sonne tanken zu koennen.
Inzwischen sind mir aber auch schon ein paar Sachen aufgefallen, die mich hier nerven (vor allem abseits der groesseren Staedte):
– das eine ist die zelebrierte Siesta: Gerade auf dem Land ist, voellig unabhaengig von der wirklichen Temperatur zwischen 12 Uhr und 17:30 Uhr einfach total tote Hose. Es bleibt mir in der Zeit meist nichts anderes uebrig als mein Wasser an Tankstellen zu kaufen. Und da das die Zeit ist, in der ich meist mit dem Motorrad am Ziel ankomme, ist es doppelt unguenstig.
– das andere ist das Essen: Nein, das Fleisch ist immer noch fantastisch, aber es ist echt schwierig Gemuese oder Obst zu bekommen. Und leider entspricht es hier oft geschmacklich eher deutschen Standarts. Dafuer sieht es gerade in Grossstaedten genauso makellos aus.

Aber zurueck zum Reisen:
Die Strecke der Dakar zu verfolgen war eine gute Idee und hat mich an viele landschaftlich tolle Ecken und natuerlich zu tollem Offroad gebracht. In der Ecke hat mein taiwanesischer Hinterreifen auch ziemliche Schwaechen offenbart. Was anfangs noch lustig war, das Rutschen abseits der Strasse, trat hier, selbst voll beladen, immer haeufiger auf. Soweit, dass ich mich gezwungen sah fuer die letzten 1000 km noch mal neu zu bereifen. Nach einem deutschen (Heidenau), italienischen (Pirelli), taiwanesischen (DURO?) ist jetzt ein brasilianischer Schlappen drauf. (Levorin) Alle Biker, die ich getroffen habe, waren eher skeptisch aber er war nicht so unglaublich teuer wie die restlichen Reifen in Argentinien und hat mich, Achtung Spoiler!, sicher nach Valparaiso gebracht.

Wenn ich mal im Lotto gewinnen sollte, moebel ich die olle XT ein wenig auf, miet mir nen Koch und nen Mechaniker und tucker da mal mit. Als Sieger der Herzen allein des olympischen Gedankens wegen.

Cordoba und alles was auf meiner Reise noch folgen sollte, war schon fast erschreckend europaeisch: Autobahn, McDonalds, Walmart und sogar ne Doenerbude. In Mendoza sind die Menschen sogar schon soweit von der Kultur der Anden entfernt, die nur ein paar Kilometer weiter liegen, dass sie eine von diesen abgrundtief schlechten „peruanischen“ Floetenkombos mit dickem Kerl in Alpacaueberwurf und Wild-West-Haeuptlingsfederkopfschmuck in der Fussgaengerzone ertragen. Es gibt dazu auch ne ganz gute Southparkfolge.

Nach Cordoba bin ich eigentlich vor allem wegen einiger Menschen gefahren, die ich online kennengelernt habe. Ich muss mich jetzt mal schnell outen und zu einem meiner Hobbies bekennen, damit man den Rest versteht. Seit ein paar Jahren bin ich leidenschaftlicher Brettspieler. Die ganze Tiefe des Hobbys zu erklaeren wuerde hier zu weit gehen. Den Nicht-Geeks sei nur gesagt, es gibt eine Welt hinter Monopoly und Risiko und sie lohnt die Reise. (nein, nicht „Siedler“!)
Auf jeden Fall hab ich mich mit einigen Brettspielern in Cordoba verabredet und wie sehr hab ich mich im Nachhinein gefreut, den Umweg auf mich genommen zu haben.
Wilson, Emanuel und Gustavo (wenn auch „Eurogamer“) haben mir zwei sehr schoene Abende mit Gegrilltem, Bier und Fernet-Longdrinks beschert.
Nach 5-monatiger Abstinenz tat es mal wieder gut sich in einem Brettspiel versenken zu koennen.

Vielen Dank an die drei, vor allem an Wilson, der mich eingeladen hat und trotz eines 3-Uhr-morgens-Jobs bis um 2 Uhr nachts durchgehalten hat.

Nach Cordoba, wo ich ein paar erholsame Tage verbracht habe gings weiter nun immer nach Westen auf Chile zu. Leider ist Argentinien ziemlich teuer was Uebernachtungen betrifft, daher hab ich ab und zu trotz unzureichendem Schlafsack noch campen muessen.

Selbst ein Dorm in einem naja-Hostel kostet 10 Euro! Und Campen musste ich teilweise schon fuer 7 Euro, das ist fast so viel wie auf Ruegen! (nicht dass ich Ruegen gegen Argentinien tauschen wuerde, aber ich will ja dem Daheimgeblieben eine Moeglichkeit zum Vergleich in ihrem Erfahrungshorizont liefern).

In Mendoza bin ich bei meinen Touren durch die Stadt zufaellig am Stadion vorbeigekommen. Da ein wichtiges Spiel anstand und ich eh nix zu tun hatte hab ich mir gleich eine Karte fuer die lokale Fankurve besorgt.
Ich bin ein paar Minuten nach dem Anpfiff ins Stadion (bei Fussball koennen sie ploetzlich puenktlich sein…) und war die erste halbe Stunde ueberzeugt nur eine Jugendauswahl, quasi zum anheizen zu sehen. Ich verstehe nicht allzuviel von Fussball aber irgendwann ging mir dann auf dass es schon die echten Mannschaften waren. Naja. Das Spiel war aus der primera Division und sollte wie gesagt irgendwas entscheiden, aber es waren nicht so richtig viele Leute da. Die Party wurde auf jeden Fall in der anderen Kurve gefeiert denn Mendoza verlor.

Alles in allem war es ein schoenes Nachmittagsprogramm, aber ich bin etwas von den Fans enttaeuscht. Ich habe nach dem Spiel versucht etwas vom Dresdner Fussballgeist (dass ich dabei weiter keine Ahnung von Fussball habe, macht mich nur zu einem glaubwuerdigeren Dresdner…) rueberzubringen und habe eine feindliche Flagge und zwei Muellcontainer in Brand gesteckt. Einem gegnerischen Fan, dem ich die Flagge abgenommen hatte, konnte ich eine Boeschung runterschubsen und die Polizei hab ich auch boese angekuckt. Leider war kein Argentinier mitzureissen. Kein Wunder dass das Land bei solchen Fans bei der WM untergeht.
Eigentlich haette ich gern eine Weinprobe gemacht, aber ich habe es leider nicht geschafft andere Angebote als fuer 19 Jaehrige US-Amerikaner die sich in nem Weinkeller Absinth kaufen gefunden. Echt schade, aber man will sein Geld ja auch nicht verbrennen.

Nach Mendoza gings dann noch einmal ueber die Anden und sie sollten mir noch mal alles bieten, was sie konnten. Tolle Landschaft, schoenes Offroad, Nationalparks (beides noerdlich Mendoza), viele Kurven, ein paar Condor (Plural?) und natuerlich Eiseskaelte.

Seit vorgestern bin ich jetzt wieder in Valparaiso. Eigentlich eine schoene Stadt aber was vor 6 Monaten alles aufregend und spannend war, stimmt jetzt eher traurig. Die Aufraeumarbeiten und die Planung fuer die Verschiffung des Moppeds heben nicht gerade die Stimmung. Leider ist zzt auch kein anderer Biker/in im Hostel mit dem ich mir die Abende vertreiben koennte (dafuer gibts nen Blogggupdate, hurra)

Im Grunde sind wir damit am Ende dieses Bloggs angekommen. Ich denke es wird noch ein kurzes Fazit folgen, dass ich in den naechsten Tagen fertigstellen moechte. Ich denke darueber nach noch einmal schnell zu bloggen wenn mein Motorrad in Dtl angekommen ist, da ich es in Bloggs anderer Reisender immer ganz spannend fand, zu lesen, wie es ihnen nach ihrer Rueckkunft gegangen ist, aber ich bin mir noch nicht sicher. Ich hoffe jedenfalls es hat euch gefallen und dass mehr Leute gelesen als kommentiert haben.

Eigentlich wollte ich zuerst keine Laenderaufkleber auf meine Koffer kleben, weil ich das immer fuer etwas Angeberei halte. Nach meiner tollen Zeit in Argentinien habe ich mich aber anders entschieden (seid sie Maradonna abgesaegt haben, braucht man sich seiner Zuneigung zu diesem Land auch nicht mehr zu schaemen): Ich hoffe allerdings dem Land ist diese Ehre ueberhaupt bewusst.


Antworten

  1. Hi Kosta!

    Deinen Blog hast du vorbildlich gepflegt … apropos Bilder: Vielen Dank für die wunderbaren Motive. Mit nahzu jedem Update habe ich meinen Desktophintergrund gewechselt!

    Die besten Grüße aus Dresden
    ~Thomas

  2. Also Argentinien Platz 1, Bolivien nur 2?

  3. Ja, ich glaube schon. Bin mir nicht ganz sicher warum, aber Wetter und Essen sind auf jeden Fall ein starkes Argument. Wo ich allerdings Kolumbien hinstecke, weiss ich auch nicht. Ich seh schon vllt komm ich um das Fazit doch nicht drum rum.

  4. Oh man,wie sich die Ansichten doch gleichen.
    Bei mir is Argentinien a auf Platz1,dann Ecuador,…….Peru muss noch ein wenig netter werden um den letzten Platz abgeben zu können.
    Hoffe du hast viele Daten gesammelt…..Ade Dommas der Ex-Estenfelder,jetzt Würzelburger

  5. Hi Kosta,

    wie schon im Chat gesagt, schade dass es bald vorbei ist. Ich weiß gar nicht, ob du dich so sehr sorgen musst, um die Meinung deines zukünftigen Arbeitgebers. Habe da schon wesentlich schlimmeres gelesen.

    Ich finde es übrigens interessant, wie du dich auf deiner Reise von deinem Heimatkontinent distanziert hast. Walmart und Mc Donalds sind für mich amerikanisch, Döner ist schon grenzwertig asiatisch…

    Wie auch immer, gute Heimreise, ich freue mich schon auf einen Abend mit interessanten Geschichten und gutem Bier in Dresden,

    Janis

  6. Hi Kosta,

    wollte ja eigentlich mit dem Posten aufs Fazit warten.
    Aber bevor Du das dann doch nicht mehr schaffst und ich hier eine der Postfachleichen werde, die Du erst mit Job und Kind besuchen kommst, poste ich doch lieber jetzt schonmal.

    Hat auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht, Deine Reise von hier aus ein wenig zu verfolgen. Es kamen dabei viele Eindrücke rüber, auch wenn das sicher nicht alle waren. Und es hat das Fernweh geweckt, auch wenn ich mich eher nicht so lange auf die Reise machen würde/könnte/dürfte.

    Bezüglich der Sicherung, um später nochmals über Fotos hinaus in Erinnerungen zu schwelgen, hab ich Dir ne e-Mail mit Vorschlägen geschrieben.

    Liebe Grüße auch von Eli, die jetzt nicht extra postet.

    Wünschen Dir noch eine schöne restliche Zeit da drüben und eine gute Heimreise.

    Sebastian

  7. Hi,
    irgendwie schade, dass es nun nicht mehr alle paar Tage was Neues vom (zumindest beinahe) anderen Ende der Welt von Dir zu lesen gibt. Es hat wirklich viel Spass gemacht. Jetzt wünsch ich Dir eine gute Heimreise – wir sehen uns in ca 40 Stunden in alter Frische in Efeld! Ich freu mich schon!
    Guten Flug!


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