Servus,
schon wieder eine Woche um. Wenn ich ehrlich bin und gleichzeitig auf Karte und Kalender schaue, bin ich mir nicht mehr sicher ob ich meine beabsichtigte Route noch schaffe in der restlichen Zeit.
Das letzte Mal, als ich mich gemeldet habe, war ich noch in Chile. Inzwischen bin ich in Arequipa, Peru. Und es hat sich schon etwas geaendert. Aber eins nach dem anderen:
Am Tag nach meinem letzten Blogg bin ich mit den Briten in einen nahegelegenen Nationalpark aufgebrochen. Wie war das? „Entspannte Freude“, „langsam angehen lassen“? Naja. Wahr ist, dass aus dem Tagestripp mal wieder ein typischer Kostatripp wurde. Frueher Start, alle euphorisch. Zuegig unterwegs und wieder auf krasser Hoehe. (irgendwas 4500 m, langsam geht der Reiz der Hoehe verloren).
Besonders haben mich bei der Fahrt in die Berge zwei Dinge beeindruckt. Das eine sind die bolivianischen Lastwagenfahrer, laut meinem Suedamerikafuehrer meist betrunken und deren Fahrweise. Keine Details.
Das andere war die folgende Situation: Ich bin auf einer ordentlichen zweispurigen Fahrbahn unterwegs, rechts eine steile Steigung, fast eine senkrechte Wand, links ein steiler Abhang. Ploetzlich bricht rechts ein riesiger Felsblock los, der etwa 10 m vor mir ueber die Strasse rollt. Erst beim zweiten Hinsehen stellt sich der Felsblock (gluecklicherweise) als zwei riesige Lamas heraus, die keine Ahnung wie staubaufwirbelnd diesen Abhang runterknallen. Das erste verpasse ich mit meinem Vorderrad um ca. 10 cm das zweite streift in vollem Lauf die Tuete hinten auf meinem Motorrad. Glueck gehabt.
Ein Wort zu den Lamas. Es gibt hier vier verschiedene Tiere. Alle rel. gross, pelzig und auf grosse Entfernung nett anzusehen. Der Suedamerikaner unterschiedet aber vier Typen: Alpaca, Vicuña, Llama und irgendwas mit Gua… keine Ahnung. Ich kann mir die Namen grad so, die Unterschiede gar nicht merken. Wenn ich also von Lamas spreche, kann es eins von diesen vier Viechern sein.
Die Strasse war aber insgesamt in sehr gutem asphaltierem Zustand und es hat Spass gemacht mal wieder ohne Koffer mit der XT die Reifenflanken warm zu bekommen.
Erstes Ziel das Dorf „Putre“. Sehr schoen gelegen, gemuetliche Atmossphaere, Moeglichkeit zum Uebernachten und Tanken. (Ist vllt auf der Rueckfahrt mal eine Station..)
Aus dem Dorf heraus haben wir einen alten verlassenen Weg gefunden den aber leider nur ich mit meinen geeigneteren Reifen (und etwas Sanderfahrung) meistern konnte. Das Treffen weiter oben scheiterte natuerlich uns so haben wir uns erst nach einer Stunde wieder getroffen.
Der weitere Weg ging dann weg von der Asphaltstrasse auf Schotter nach Belèn. Die Hochebene hinter Putre ist von Bilderbuchvulkanen gesaeumt und soll ein Platz fuer alle Moeglichen seltenen Voegel und Tiere sein.
Der Abstieg nach Belèn war eine tolle Strecke und es tat uns allen leid, dass wir diesen Weg bergab und nicht bergauf machen konnten. Bergauf hat den Vorteil dass rutschende Reifen (meist der hintere) nicht zum Kontrollverlust fuehren, sondern zu breitem Grinsen.
Leider, leider und nach 250 ziemlich anstrengenden Kilometern stelle ich fest, dass die breite in der Karte eingezeichnete Strasse nicht existiert. Sowas ist mir bisher wirklich noch nicht passiert… Klar, es verschwinden schon mal kleine graue Striche aus der Karte, aber eine grosse, ich meine sogar nummerierte Strasse?
Naja. Es waere natuerlich kein Kostatripp wenn nicht die drei wichtigen Sachen (BTW – Benzin, Tageslicht, Wasser) knapp wuerden…
Wir waren also gezwungen den 150 km Umweg zurueck nach Arica zu nehmen. 50 km folgten auf kleinsten Feldwegen (mit einem Schnitt von 30 km/h) und 100 bei absoluter Dunkelheit. Ziemlich erleichtert und aeusserst ueberrascht von meinem Benzinverbrauch (400 km mit 17 Litern, dabei viele Kilometer mit zu fettem Gemisch und einem Anstieg von ueber 4000m) kommen wir in Arica an. Ich fand es war der richtige Abend, um mir die Flasche dominikanischen Rum zu kaufen, die mich die letzten Tage schon angelacht hat.
Hier ist meine XT mal ins rechte Licht gerueckt worden. Sie steht im Innenhof unseres Hostals in Arica.
An ein weiterfahren am naechsten Tag war nicht zu denken. Erst am uebernaechsten packen wirs an und fahren nach Peru.
Der Grenzuebergang war ziemlich lustig. Im Grunde bestand die Herausforderung darin, nach Passangelegenheiten mit der Polizei, irgendwelche kleinen Maennchen auf dem Parkplatz aufzutreiben, die den richtigen Stempel haben. Im Grunde haben alle bisherigen Grenzuebergaenge eines gemeinsam: Man muss, um durch die letzte Schranke gelassen zu werden, ein Papier vorweisen wo jede Station ihren Stempel drauf gedrueckt hat. Im Grunde ein cleveres System. Aber die Durchfuehrung bestand darin das Maennlein (das hoffentlich nicht grad zu Mittag isst) zu seinem Fahrzeug zu schleifen um einen Stempel zu kassieren. Manche, wohl schon berufserfahrenere unterliessen die Fahrzeuginspektion und druecktem einfach allem Papier das ihnen in die Quere kam einen Stempel auf. Prima.
Peru hat im uebrigen eine krasse Effizienz wenn es um die Schaffung von Arbeitsplaetzen geht.
Man stelle sich den Brotkauf so vor: Man betritt den Laden vorbei am Sicherheitsmann, laesst sich von der Empfangsdame an den richtigen Brotkorb weisen, von der netten Dame dort die gewuenschte Menge Brot einpacken. Bezahlt dann beim ernst dreinblickenden Vater (?) und kann dann seine Tuete bei Angestellten Nr. 4 (ohne Vater/Besitzer) in Empfang nehmen. Sollte man aber statt der normalen Broetchen ein Koernerbroetchen suchen, wird man von der Angestellten Nr. 3 (die Frage wurde von Nr. 2 weitergeleitet) auf die Baeckerei gegenueber verwiesen. Natuerlich findet das Prozedere selten bei Broetchen aber doch bei den meisten Sachen durchgefuehrt.
Jetzt hab ich den Faden verloren. Ahja Peru.
Es ist gar nicht einfach „offen“ zu sein fuer etwas. Die Redewendung wird viel oft verwendet. Es ist schwierig bei einem fremden Land sich nicht zu schnell eine Meinung zu bilden. Von Erzaehlungen vorher (Dommas, so schlimm isses hier gar nicht!), von ersten Kontakten mit Einheimischen, von Geruechen und sonstigen Eindruecken. Ich habe versucht wirklich offen zu bleiben. Allzu einfach war es nicht.
Die erste Station in Peru war Moquegua. Ein, wie die Briten noch oft sagen sollten „shithole“. Die Strassen rochen nach Urin, alles unglaublich ueberfuellt und gedraengt, das Hotel teuer und dreckig.
Prima Start. Auch wenn die verschiedenen Tourifuehrer immer versuchen eine schoene Seite abzugewinnen, fahrt auf keinen Fall dahin.
Nach Chile war das ein richtiger Schock. Ich bin keine Person, die sich von kaltem Duschwasser oder dreckigen Strassen abschrecken laesst, aber die Fuelle an Menschen auf kleinstem Raum, der krasse Laerm durch die ganze Nacht waren ungewohnt. Und ich habe mich die erste Nacht nicht wohl gefuehlt.
Aber offen bleiben.
Oben ist die Anfahrt auf Arequipa zu sehen. Eine viel schoenere und „normalere“ Stadt mit sehr vielen historischen Gebaeuden. Kloester, Kirchen etc. Im Hintergrund sind wieder Vulkane zu sehen, die rund um die Stadt liegen.
Um die linke Berggruppe haben wir nach einem Erholungstag eine kleine Tour gemacht. Dazu einfach mal ein paar Bilder:
Misti (der rechte von beiden) von hinten: (Nordseite ohne Schnee)
Das obige ist eines meiner Lieblingsbilder.
Pete:
Mit ihm kann ich immer mal ein paar Abkuerzungen und Trails quer durchs Gelaende probieren. Allein waere das weniger klug.
Leider ist bei Bruce bei der Ausfahrt schon wieder eine Gabeldichtung kaputt gegangen. Den naechsten Tag haben wir also mal wieder mit Ersatzteilsuche verbracht.
Da die Dichtung aber bisher nur wenig Oel auslaesst haben wir die naechste Tagestour in Angriff genommen.
Der Colca-Canyon.
Der Colca-Cañon ist fast doppelt so tief wie der Grand Canyon und ein echt schoenes Stueckchen Erde. Ich wuerde sagen es war landschaftlich mit das schoenste und beeindruckendste was ich bisher gesehen habe auf der Reise.
Allerdings war schon die rel lange Anfahrt von 150 km ein Erlebnis. Auf dem Hinweg hatten wir die Moeglichkeit mit einigen Viechern Bekanntschaft zu schliessen.
Dieser Bock konnte es gar nicht lassen sich an unseren Motorraedern zu reiben und an meiner Hose zu nagen. Als wir gefahren sind ist uns das schwerfaellige Ding sogar nachgerannt.
Die weitere Anfahrt war ueber einen 4700 m Pass mit einer schoenen Aussicht auf Chivay, dem Eingang in den Cañon. Dort oben auf 4700 m sitzen den ganzen Tag ein paar peruanische Frauen und versuchen verschiedene Klamotten zu verkaufen. Echt zaeh! Mir wars zu kalt und windig um ein Foto zu machen von ihnen.
Im Grunde kann ich zum Cañon weiter nicht viel sagen. Es war einfach so wie ich mir Suedamerika immer vorgestellt habe. Wilde aber gruene Umwelt, Esel zum Transport, beste Schotterwege unterschiedlicher Steigung, tolle Aussichten und so weiter, und so weiter.
Ach ja, einen Condor haben wir auch gesehen. Er war aber ziemlich weit weg.
So, leider ist bei dieser Tour Bruces Dichtung endgueltig den Bach runter. Das bedeutet, dass wir ein paar Tage hier verbringen werden. Arequipa ist von den Ersatzteilen her kein guter Ort zum Stranden.
Ich werde die Zeit vermutlich mal fuer einen Oelwechsel nutzen, es ist zwar noch nicht eilig, aber wenn ich schon mal die Gelegenheit hier habe.
Die naechsten Tage will ich dann noch mal in den Cañon und ihn von Anfang bis Ende fahren. Danach soll es endlich weiter Richtung Titicacasee gehen.
Ich freu mich sehr drauf wieder unterwegs zu sein, lange an einem Ort zu sein schlaucht ganz schoen und die Reisedisziplin laesst deutlich nach.
Manchmal wird mir jetzt erst bewusst was ich eigentlich mache. Das sind auf jeden Fall die Hoehepunkte dieser Reise. Sich bewusst zu werden, dass man am anderen Ende der Welt unterwegs ist und man es aus eigenem Antrieb und viel fremder (auch finanzieller) Hilfe hierher geschafft hat.
Ich fuehle mich sehr gluecklich dass ich hierfuer die Moeglichkeit habe. Aber ein grosser Unterschied zu vielen Langzeitreisenden bleibt: Der Blick in die Zukunft, vor allem auf das Heimkommen ist nicht unangenehm, ganz im Gegenteil gibt es viele Dinge in Deutschland auf die ich mich freue und fuer die ich wieder motivert bin. Und gibt es eine bessere Grundlage als das, um das jetztige zu geniesen? Wenn man die Zukunft nicht fuerchtet sondern sich drauf freut?
Eines ist mir auch noch klar geworden: Ich glaube ich erlebe ein voellig anderes Suedamerika als es beispielsweise ein Backpacker erleben wuerde. Grosse Touristenattraktionen ziehen mich kaum an, ich bin noch in keinem Museum gewesen. Dafuer habe ich schon Plaetze gesehen, die wohl kein Backpacker zu Gesicht bekommt. Es ist eine tolle Freiheit und Unabhaengigkeit auf dem Motorrad.